Als Ende Januar 2020 das Call-for-Papers zur 61. Tribologie-Fachtagung verschickt wurde, kursierten zwar schon Meldungen über die Verbreitung eines neuartigen Corona-Virus in China, jedoch konnte sich wahrscheinlich noch niemand, außer einigen Experten vielleicht, vorstellen, welche Folgen dies für unser tägliches Leben und vor allem für Veranstaltungen haben würde.
So stand dann auch für die GfT im Mai die Entscheidung an, ob und in welcher Form die Fachtagung 2020 stattfinden sollte. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht abzusehen, ob Ende September die Pandemie bereits vergessen sein würde, oder ob eine zweite Welle drohte. Ebenso war nicht abzusehen, ob und mit wieviel Teilnehmern eine Veranstaltung in Göttingen möglich sein würde. Als sich dann die Reiseverbote von Firmen und Hochschulen häuften, musste die schwere Entscheidung getroffen werden, die Präsenz-Tagung in Göttingen abzusagen und auf ein reines Online-Format zu setzen.
Die weitere Entwicklung hat gezeigt, wie richtig dieser Entschluss war. Mit der Entscheidung für eine Online-Tagung kamen jedoch ganz neue Herausforderungen auf die GfT zu. Es gab keinen zentralen Veranstaltungsort, von dem aus die Tagung per Live-Stream übertragen wurde. Alle Vorträge wurden dezentral an Computern an den jeweiligen Arbeitsplätzen bzw. dem Home-Office gehalten. Die meisten Teilnehmer hatten zwar bereits Erfahrungen mit Online-Meetings, eine gesamte Tagung mit mehreren Parallel-Sessions professionell zu organisieren, war jedoch noch einmal „eine Nummer größer“. Insbesondere die Anforderung, dass eine Teilnahme nicht nur für Zuhörer, sondern auch für Sprecher und Moderatoren mit unterschiedlichen Systemen an unterschiedlichen Standorten möglich sein musste, war anfänglich unterschätzt worden. Hier gilt ein besonderer Dank der Firma Aixzellent, die seit Jahren Partner der GfT für das Web Hosting ist und die gesamte Online-Tagung realisiert und betreut hat.
Plenarveranstaltung
Die Plenarveranstaltung am 28. September begann mit der Begrüßung durch Dr. Christoph Wincierz, dem Vorsitzenden des GfT-Vorstands. Dabei hob er hervor, wie ungewöhnlich es ist, die Tagung allein vor seinem Computer sitzend zu eröffnen, statt persönlich in die Gesichter der Teilnehmer zu blicken. Er spann dann den Bogen der technologischen Entwicklung von den Anfängen der Rundfunktechnik zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis hin zu den Möglichkeiten, die das Internet heute bietet, wobei er eine Parallele zur Corona-Pandemie zog, die aufgrund des rasanten Fortschritts der wissenschaftlichen Forschung heutzutage besser beherrschbar ist, als die Grippe-Pandemien der damaligen Zeit. In Bezug auf die Tagung verschwieg Dr. Wincierz nicht die Vorbehalte, die im Vorstand anfänglich gegenüber einer Online-Tagung bestanden. Die weitere Entwicklung und vor allem die unerwartet hohe Zahl von fast 200 Teilnehmern zeigte jedoch, dass die Entscheidung zu Gunsten dieser Form die richtige war.
Im ersten Plenarvortrag wurde die GfT-Studie „Tribologie in Deutschland – Querschnittstechnologie zur Minderung von CO2-Emissionen und zur Ressourcenschonung“ vom GfT-Vorstandsmitglied Dr. Woydt ausführlich vorgestellt. Darin schildern führende Experten aus ihrer Sicht die gegenwärtige Situation des Fachgebiets und geben einen Ausblick auf die Zukunft. Unter anderem wird in der Studie dargelegt, dass sich, allein durch Ausschöpfung der technisch verfügbaren Möglichkeiten zur Reibungsminderung im Straßenverkehr, bis zu 22 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen lassen. Die Studie ist kostenfrei in deutscher und englischer Fassung von der GfT-Webseite herunterzuladen und steht auch in französischer Sprache zur Verfügung. Zum Ende seines Vortrags wies Dr. Woydt auf die nachfolgende Studie zum Thema „Verschleißschutz und Nachhaltigkeit“ hin, die kurz vor der Fertigstellung steht.
Nach der Verleihung der GfT-Förderpreise und des Georg-Vogelpohl-Ehrenzeichens folgten noch zwei weitere Plenarvorträge. Wie bereits im letzten Jahr war Prof. Harry van Leeuwen, Universität Eindhoven, mit einem Plenarvortrag vertreten, diesmal über den nachhaltigen Einfluss von Prof. Harmen Block auf die Tribologie. Abgeschlossen wurde die Plenarveranstaltung mit einem Gemeinschaftsvortrag von Dr. Markus Matzke (Robert Bosch GmbH) und Dr. Thilo Krapfl (Evonik Operations GmbH) mit dem Titel „Life cycle analysis of an efficient hydraulic fluid“.
GfT-Förderpreise
Im Jahr 2020 wurden eine Master- sowie eine Doktorarbeit mit dem Förderpreis der GfT ausgezeichnet. Den Preis in der Kategorie 2 (Master-/Diplomarbeiten) erhielt Herr Georg Oidtmann für seine Arbeit „Numerische Untersuchung der Einflüsse einer begrenzten Ölmenge auf die Schmierfilmausbildung in Wälzkontakten“. Für seine Dissertation mit dem Titel „Entwicklung eines TEHD-Tribosimulationsmodells für Radialwellendichtringe“ wurde Herr Dr. Stefan Thielen mit einem GfT-Förderpreis ausgezeichnet.
Kurzfassungen der Arbeiten finden Sie in Heft 4/2020 der Zeitschrift „Tribologie und Schmierungstechnik“.
Georg-Vogelpohl-Ehrenzeichen
Das Georg-Vogelpohl-Ehrenzeichen, die höchste deutsche Auszeichnung auf dem Gebiet der Tribologie, wurde 2020 Prof. Dr. Evert Muijderman verliehen. Er war unter anderem Gruppenleiter für Tribologie und Mechanik im Philips Forschungslabor in Eindhoven sowie Professor an der TH Delft und der TU Eindhoven. Mit seinem Namen ist z.B. die Entwicklung von Spiralrillenlagern verbunden, die millionenfach in Festplattenlaufwerken zu finden sind. Die Laudatio wurde von Harry van Leeuwen gehalten und ist in der Heft 05/2020 von „Tribologie und Schmierungstechnik“ wiedergegeben.
Spezielle Sessions
Auch im Online-Format konnte eine eigene Session zum DFG-Schwerpunktprogramm 2074 „Fluidfreie Schmiersysteme mit hoher mechanischer Belastung“ mit 12 Vorträgen stattfinden. Ebenfalls zum wiederholten Mal war das vom BMWi geförderte „Forschungsfeld Tribologie“ mit 5 Vorträgen vertreten. Zu Beginn dieser Session sprach Dr. Gordon Kaußen, der Leiter des Fachbereichs „Energieeffizienz in der Industrie“ beim Projektträger Jülich, ein Grußwort. In seinem Fachbereich ist auch das Forschungsfeld Tribologie angesiedelt.
Fachvorträge
Berücksichtig man die durch die Corona-Pandemie gegebenen Umstände, so konnte die GfT mit einem Tagungsprogramm, das insgesamt 75 Vorträge in 5 Parallelsitzungen umfasste, mehr als zufrieden sein. Am stärksten waren die Themen „Tribologische Systeme“ und „Maschinenelemente und Antriebstechnik“ vertreten. Die Spannbreite der Vorträge in diesen Sessions reichte von grundsätzlichen Betrachtungen zu den Reibungsgesetzen von Coulomb und Amonton (V. Popov, TU Berlin) bis zu sehr praxisnahen Beiträgen wie dem dynamischen Reibverhalten von Schraubverbindungen beim Anziehen mit einem Schlagschrauber (A. Wettstein, KIT). Ebenfalls traditionsgemäß stark vertreten waren die Bereiche Schmierstoffe und Kunststoff-Komposite. Als neues Thema war „Haptik und taktile Wahrnehmung von Oberflächen“ aufgenommen worden. Dort gab es je einen Beitrag zu Materialschädigungen auf Touchscreens, Reibung und Wahrnehmung durch Fingerspitzen und dem Problem, die Haptik, bzw. Aussehen und Gefühl bei der Berührung von Oberflächen, messtechnisch zu erschließen. Alle drei Vorträge waren sehr interessant und weckten die Hoffnung auf zukünftig mehr Vorträge zu diesem Thema.
Das Tagungsprogramm wurde auch im Online-Format von Werner Stehr mit einem seiner sehr anschaulichen und humorvollen Vorträge abgeschlossen. Diesmal ging es um nichts Geringeres als die Grenze der tribologischen Prüfung. Wer allerdings philosophische Betrachtungen über die Beschränkungen experimentellen Tuns erwartet hatte, wurde enttäuscht. Es ging vielmehr ganz praktisch um Reibungstests bei 120°C, in gesättigter Kraftstoffatmosphäre, ein Thema mit Sprengkraft im wahrsten Sinne des Wortes. Deshalb wurden die ersten Versuche dafür auch aus Vorsicht ins Freie verlegt.
Wie eingangs erwähnt, war die Tagung mit knapp 200 Teilnehmern auch im Online-Format erfolgreich. In seinem Schlusswort dankte Dr. Wincierz allen Teilnehmern, Vortragenden und der Firma Aixzellent für ihre Beiträge zum Gelingen der Tagung und beendete die Veranstaltung mit der Hoffnung, die Teilnehmer zur 62sten Tribologie-Fachtagung vom 27.-29. September 2021 wieder persönlich in Göttingen begrüßen zu können.
Wie bei vielen ähnlichen Veranstaltungen inzwischen üblich, verzichtet die GfT auf die Herausgabe von gedruckten Tagungsbänden. Alle Beiträge werden jedoch als pdf-Downloads sowie in einem Gesamt-Tagungsband zur Verfügung gestellt, der für interessierte Nichtteilnehmer bei der Geschäftsstelle der Gesellschaft für Tribologie e.V. (Adolf-Fischer-Str. 34, 52428 Jülich, Tel.: +49 (0)2461 340 79 38, E-Mail: tribologie@gft-ev.de, Internet: www.gft-ev.de) erhältlich ist.